Beethoven als Boogie, Coltrane als Disco-Nummer, die Stones als Streichquartett: Nur die verrücktesten Cover-Versionen sind gut genug für mich. Falls Sie ähnlichen Vorlieben nachgehen wollen, kann ich nur warnen: Diese Leidenschaft haut Löcher ins Portemonnaie. Denn auf eine einzige originelle Verfremdung kommen neun langweilige Imitationen unter dem Motto "A Tribute to...". Also: Weiterlesen, Geld sparen!
Meine Platte
Dasselbe, ganz anders
(1998)
Von Hans-Jürgen Schaal
Die am häufigsten gecovereten Rock-Acts sind Led Zeppelin und Jimi Hendrix: Weiß der Himmel (oder Elvis persönlich), warum das so ist! Mein liebster Led-Zep-Tribute heißt (Sie erkennen das Wortspiel) "The Song Retains the Name" - mit einer römischen Zwei dahinter. Die Nummer I ist auch nicht schlecht, aber die II schießt den Zeppelin ab: viel Bluegrass, Banjo, Fiedel und Folk-Gitarre, dazu Orient, Blues-Piano, Steel Guitar - und ein Sopransaxophon, das Robert Plants Stimme nachäfft. Die 13 Bands tragen so sinnreiche Namen wie "Bad Livers" und "Mojo Nixon and the Toadliquors" und sind auch sonst ziemlich unvergeßlich.
Apropos Elvis: Da gibt es einen Sänger, der nennt sich selber Tortelvis, verzieht den Mund so schief wie sein Vorbild und knödelt auch wie der Rock'n'Roll-König selig. Wenn man den Elvis-Glamour kräftig verrührt mit Led-Zep-Songs und gelegentlichen Reggae-Rhythmen à la Bob Marley, erhält man die Band Dread Zeppelin. Markenzeichen: Zeppelin Music inna Reggae Style. Ihre Platte "5,000,000" erinnert nicht nur durch die Verpackung an das Album "Led Zeppelin IV", sondern verwurstet auch die wichtigsten Titel daraus - wie den unsäglichen "Stairway To Heaven" (nach letzten Umfragen noch immer Deutschlands beliebteste Oldie-Ballade).
Sogar einen ganzen Sampler hat man diesem wunderbar tranigen Evergreen gewidmet - natürlich im fernen Australien, wo die Koalabären auch dann Eukalyptus lutschen, wenn sie gar nicht erkältet sind. "Stairways To Heaven", das ist 22mal dieser eine Song, und wer sich alle diese Coverversionen auf einmal anhört, ist selber schuld. Ich beschränke mich immer auf ein paar Rosinen: zum Beispiel die Pop-Jazz-Gesangsgruppe "Pardon Me Boys", die "Australian Doors Show" (mit dem besten Jim Morrison der südlichen Halbkugel), die Beatles-Revival-Band "The Beatnix" und - schon wieder Elvis! - den australischen Presley-Klon Neil Pepper. Sagenhaft unglaublich das alles.
Jetzt aber: Jimi Hendrix. Der Tribute-Sampler "Revenge" ist deshalb so gut, weil da kein Produzent die Leute an die Hendrix-Nummern prügelte, sondern einfach irgendjemand das zusammengestellt hat, was es sowieso an Hendrix-Coverversionen gab. Und das waren zum Teil sehr originelle, unbestellte Neudeutungen, in denen es den Künstlern mehr um ihren eigenen Ausdruck als ums Nachbeten ging. Eine wilde Mischung mit einer swingenden Rickie Lee Jones, weißen und schwarzen Blues-Legenden, den Sample-Pionieren Shamen, den Black-Rock-Eklektizisten Living Colour, der Big Band von Gil Evans. Einige dieser Herrschaften haben der linkshändigen Gitarrenlegende übrigens nicht nur einen Song, sondern eine komplette CD gewidmet. Zum Beispiel das Klaviertrio Triad: Das sind die Brüder Batson, Musik-Profis zwischen Oper und Rap, und die Jazz-Pianistin Geri Allen. Auf "Three Pianos for Jimi" spielen sie klassizistisch anmutende Miniaturen, durchsetzt mit Blues-Akkorden und Jazz-Improvisationen. Indianer-Jimi auf der Gershwin-Fährte.
Ähnlich wie "Revenge" ist die CD "Paul Simon Songbook" entstanden: ein Sampler mit einigen der besten (will sagen: eigenständigsten) Simon-Covers zwischen 1966 und 1991. Meine Favoriten: Michelle Shocked und ihre Gitarre am texanischen Lagerfeuer, die Rock'n'Roll-Spezialisten Big Daddy und natürlich die Blues-Gospel-Soul-Sounds von Marsha Hunt, Aretha Franklin, Billy Paul und den Persuasions. Auch die Bangles, Marianne Faithfull und Emmylou Harris fehlen nicht, aber der Experte wird dennoch ein paar Simon-Covers vermissen, z.B. "America" von Yes (9:40) oder "Bridge Over Troubled Water" vom Jazz-Saxophonisten George Adams (7:18).
Auch Pink Floyd sind vom Tribute-Trend nicht verschont geblieben. Wofür die Psychedelik- und Minimalismus-Pioniere einst den Grundstein legten, projiziert die Doppel-CD "A Saucerful Of Pink" zurück auf Pinks eigene Musik: "One Of These Days", "On The Run" oder "Young Lust" erklingen als kompetente Techno-Hymnen. Andere Titel schwelgen in Gothic Sound und Sci-Fi-Elektronik: computerisierte Hörperspektiven auf Vergangenes. Da wird das Covern richtig innovativ. Kein Wunder bei Bands wie Controlled Bleeding und Alien Sex Fiend.
Aber ich sehe schon: Mir reicht der Platz wieder nicht. Eigentlich wollte ich noch über "Tom's Album" schreiben, eine CD mit einem Dutzend Versionen von Suzanne Vegas "Tom's Diner". Ich wollte auch das Duo Sonare empfehlen, die Mike Oldfields "Tubular Bells" auf zwei klassischen Gitarren spielen. Dann wären da noch: die Art-Rock-Satiren von M. Walking On Water, "Blue Beethoven" für 2 Pianos, John Zorns Reihe "Great Jewish Music", Big Daddys "Cutting Their Own Groove", Zappa-Musik vom Trio Cucamonga, der "Jazz Tribute To Stevie Wonder", die Tribute-Sampler von Hal Willner, Klassik-Bearbeitungen verschiedener Schwermetaller, das Yuri Honing Trio, die A-Cappella-Hits der Bobs (auch da sind wieder Led Zep und Jimi dabei), undundund... Vielleicht beim nächsten Mal. Ich sammle schon mal weiter.
© 1998, 2003 Hans-Jürgen Schaal © 1998 Hans-Jürgen Schaal |