Ob man „Telefon“ oder „Saxophon“ mit „f“ oder „ph“ schreibt, darüber lässt sich streiten. Das Balafon aber sollte man mit „f“ schreiben, denn eine etymologische Verwandtschaft zum griechischen „phonein“ (tönen) ist nicht nachweisbar. Vielmehr kommt das Wort „Balafon“aus der westafrikanischen Malinké-Sprache und bedeutet: „das Balan spielen“.
Balafon
Der spirituelle Holzklang
(2011)
Von Hans-Jürgen Schaal
Manche sagen auch, Balafon heiße „das sprechende Holz“. Solche Unstimmigkeiten sind kein Wunder, bedenkt man die Menge an afrikanischen Ländern, Ethnien und Sprachräumen, in denen das Bala, Balan oder Balafon verbreitet ist. Besondere Bedeutung hatte das Instrument im alten Mali-Reich, dessen Nachfahren heute vor allem in der westlichen Sahelzone leben: in Guinea, Mali, Gambia, Senegal und ihren Nachbarländern. Balafon-Traditionen finden sich aber auch Richtung Osten – von Kamerun und Nigeria bis hinüber nach Äthiopien – und von dort südlich auch im Kongo, Uganda, Kenia, Tansania, Mosambik und Simbabwe.
Entsprechend vielfältig sind die Namen, unter denen Balafone auf dem afrikanischen Kontinent firmieren. Hier nur einige davon: Akadinda, Amadinda, Ambira, Balangi, Balani, Baza, Dimba, Djein, Entaala, Gyil, Ilimba, Kalanba, Kundu, Madimba, Mbaire, Palaku, Timbila. Ebenso zahlreich sind die Formen und Spielpraktiken. Traditionelle Balafone können 22 oder nur einen einzigen Klangstab haben, sie können pentatonisch, äquipentatonisch oder heptatonisch gestimmt sein. Man spielt sie auf dem Boden oder einem niedrigen Hocker sitzend oder, um Schulter oder Hüfte gehängt, im Stehen (und Tanzen). Man spielt sie solistisch oder im Ensemble, manchmal auch zu mehreren an einem einzigen Instrument.
Das Balafon ist ein Holzstabspiel – Urform unseres Xylophons, Vorläufer des lateinamerikanischen Marimbaphons. Das Holz für die Klangstäbe wird traditionell über Feuer getrocknet und dann für die nötige Form und Tonhöhe zurechtgeschnitzt; oft gibt die Tonlage des Dorfsängers die Stimmung vor. Um die Resonanz der Holzstäbe zu erhöhen, legte man das Balafon ursprünglich über Bodenlöcher („Grubenbalafon“). Später verpasste man jedem Klangholz seinen eigenen Resonanzkörper, einen ausgehöhlten und getrockneten Flaschenkürbis (Kalebasse), der unter dem Holzstab befestigt wird. Zur Verfremdung („Spiritualisierung“) des Klangs werden in die Kürbisse noch kleine Löcher gebohrt und mit einer mitschwingenden Membran bezogen: So entsteht der summende Kazoo- oder Mirliton-Effekt. Für diese Membran verwendet man heute Papier oder Plastik, früher Spinnenkokon oder Fledermausflügel. Die Spieler tragen oft auch Armbänder mit Metallschellen, um den Rassel-Effekt zu verstärken. Die Holzstäbe symbolisieren die materielle Welt, die summenden Kalebassen die spirituelle.
In mancher Kultur Afrikas war das Balafon ein heiliges Instrument, das in einer Art Schrein aufbewahrt und nur für religiöse Zeremonien hergenommen wurde. Nach einer alten Malinké-Legende ließ auch der Sosso-König Sumaoro (Sumanguru) Kanté in Sikasso sein magisches Balafon streng bewachen, keine Mücke durfte darauf landen. Ein Musiker der Familie Kouyaté verschaffte sich dennoch Zugang – der König aber ließ ihn nicht töten, sondern verfiel dem Wohlklang seines Spiels. Er gab dem Spieler den Namen „Bala Faséké“ („der Balafon-Spieler“) und machte ihn zum königlichen Djeli oder Griot. Das soll ums Jahr 1200 gewesen sein, kurz vor Gründung des großen Mali-Reichs. Das königliche „erste“ Balafon „Sosso Bala“ wurde seitdem angeblich von der Kouyaté-Familie gehütet. Es steht heute in Niagassola (Guinea) und ist zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt.
Traditionell erklingt das Balafon bei allen Dorffesten: bei Geburt, Initiation, Hochzeit, Begräbnis, Richt-, Saat- oder Erntefest. Auch in der heutigen Popmusik Afrikas ist es zu Hause, sofern dort nicht andere Instrumente die hypnotischen, einander überlappenden Patterns der Balafon-Musik nachahmen. Zum Weltmusik-Instrument wurde es in den 1960er-Jahren durch die Tourneen von Sory Kouyaté aus Guinea. Heute gefällt sich mancher Weltmusiker auch als Balafon-Innovator: Aly Keita (aus Côte d’Ivoire) hat ein diatonisches Instrument entwickelt, Ba Banga Nyeck (aus Kamerun) ein chromatisches, Neba Solo (aus Mali) ein im Bassbereich erweitertes, Kélétigui Diabaté (auch aus Mali) ein gedoppeltes. In der alten malischen Königsstadt Sikasso steigt regelmäßig ein Balafon-Festival.
© 2011, 2015 Hans-Jürgen Schaal
© 2011 Hans-Jürgen Schaal |