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Musiklexikon:
G – Gentle Giant
(2014)

Von Hans-Jürgen Schaal

Die britische Band bestand von 1970 bis 1980 und fand ihr Publikum in Progrock-Fans, die auch Formationen wie Yes, Genesis oder Emerson Lake & Palmer mochten. Deren Bekanntheitsgrad erreichten Gentle Giant jedoch nie. Ein 19. Platz in den Albumcharts von Norwegen war ihre beste Hitparaden-Platzierung. Jahrelang spielten sie nur im Vorprogramm der Großen. Als dann Disco-Pop und New Wave dem progressiven Rock in den späten Siebzigerjahren das Wasser abgruben, versuchte die Band zu überleben, indem sie ihren Stil änderte, verlor damit aber erst recht an Zuspruch. Nach 11 Studioalben löste sie sich auf und schien sehr schnell im Orkus des Vergessens zu verschwinden. Man kannte sie nur noch als „die Band, die im Rock-Alphabet gleich hinter Genesis kommt“. Doch wenn man Progrock-Musiker von heute nach ihren Einflüssen fragt, stehen Gentle Giant immer wieder ganz oben auf der Liste. Ihre Inspirationskraft ist nie versiegt.

Denn keine andere Band hat die klangliche und stilistische Vielfalt im progressiven Rock so weit getrieben wie Gentle Giant. Um die 30 Instrumente setzte die Band pro Album ein, darunter Violine, Cello, Blockflöte, Trompete, Saxophon, Vibraphon, Xylophon, Mellotron, Synthesizer oder Cembalo. Man integrierte Geigenduos und Flötentrios, trommelte zu fünft oder sang im A-cappella-Chor. Diese multiinstrumentale Kammer-Rockmusik sprang dabei ständig zwischen erdigen Gitarrenriffs, jazzigen Improvisationen oder Renaissance-Klängen hin und her, Motive wurden kontrapunktisch geschichtet, die Taktart laufend gewechselt, zuweilen mit einer geradezu mechanistisch anmutenden Präzision. Echte Ohrwurm-Melodien gab es selten, denn auch der Gesang fügte sich ins komplexe Geflecht. Gentle Giants Eklektizismus mündete in unterhaltsamen „Kollisionen von Form, Inhalt und Ausdruck“ (Paul Stump). Der permanente Stilbruch war ihr eigentlicher Stil.

© 2014, 2017 Hans-Jürgen Schaal


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