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Das Instrument heißt nach seinem Erfinder, dem Amerikaner Lorenz Hammond. Als Arme-Leute-Orgel stand es anfangs nur dösig in Kirchen und Kinos herum und verbreitete dumpfen, süßlichen Seelenkitsch. Erst als ein junger Mann aus seiner Gemeinde flog, weil er auf der Hammond etwas Neues versucht hatte, bekam das Instrument eine Zukunft. Der Ketzer hieß Jimmy Smith, und dank Dancefloor- und Acid-Jazz ist sein Sound heute aktueller denn je.

MEINE PLATTE
The Hammond Groove
(1996)

Von Hans-Jürgen Schaal

Ein Jahr lang übte Jimmy Smith im Stillen in einer leeren Lagerhalle, dann zog er mit seiner Hammond durch die Jazzklubs. "The noise was shattering", meinte der Produzent Francis Wolff und nahm den Newcomer sofort unter Vertrag. Die 250-kg-Orgel mit ihren rotierenden Zahnrädern, elektrischen Tonabnehmern, Magnetspulen und Röhrenverstärkern schien plötzlich zum Leben erwacht wie ein Vulkan. Wer das Aha-Erlebnis nachvollziehen möchte, höre sich frühe Jazz-Aufnahmen mit der B-3 an (Fats Waller, Milt Buckner, Count Basie, Wild Bill Davis) - und dann Jimmy Smith. "Das achte Weltwunder" nannte ihn Miles Davis. 1957 war Smith um die 30, ein unbequemer Heißsporn, bissig, aggressiv, ungeduldig, spielte wie ein Besessener, wie in Krämpfen - nachzuprüfen im Live-Mitschnitt aus seinem New Yorker Hausklub, "Small's Paradise". (Mehr von 1957 gibt's als 3-CD-Box bei Mosaic Records.)

Das Small's Paradise lag natürlich in Harlem, und da wurde die Hammond-Orgel bald zum großen Star - meist kombiniert mit Tenorsaxophon, E-Gitarre und Schlagzeug. Jimmy Smiths Beispiel rief unzählige Nachahmer auf den Plan, darunter Brother Jack McDuff, Jimmy McGriff, Richard Groove Holmes, Lonnie Liston Smith, Shirley Scott, Don Patterson, Big John Patton, Charles Earland, Freddie Roach, Baby Face Willette. Ihre von Gospel und Soul durchtränkten, relaxten, tanzbaren Funk-Bop-Grooves, die bei Jazz-Kritikern oft nur ein Naserümpfen hervorriefen, beherrschten jahrelang die Klubs der schwarzen Communities. Einen guten Einblick in die Jahre 1961 bis 1970 bieten die beiden Blue-Note-CDs "So Blue, So Funky (Heroes Of The Hammond)", deren Zusammenstellung wir der gegenwärtigen B-3-Renaissance verdanken.

Einer, der etwas abseits der Jimmy-Smith-Ästhetik seinen Weg suchte, war Larry Young (1940-1978). Gegen das Hammond-Klischee der fauchenden Wildkatze setzte er warme, schlanke Klangfarben, modale Improvisationen und nüchternes Temperament. Young, der sich später Khalid Yasin nannte, war der einzige B-3-Matador, der mit den Entwicklungen der 60er und 70er Jahre Schritt hielt - mit Free Jazz, Jazz-Rock und Psychedelik. 1964 spielte er mit Bobby Hutcherson und Elvin Jones, später bei Miles Davis, Jimi Hendrix, John McLaughlin und Carlos Santana. Seine kompletten Blue-Note-Aufnahmen von 1964 bis 1969 sind ebenfalls als Mosaic-Box erhältlich; einen Querschnitt gibt die CD "The Art Of Larry Young".

Auch in Londoner Klubs war in den 60er Jahren die Hammond-Orgel zu hören - und schwappte hinüber in die Rock-Szene. Graham Bond und Brian Auger machten den Anfang, Keith Emerson und Jon Lord brachten die jazzinspirierte Rock-Orgel an ihren ästhetischen Höhepunkt. Auch bei den Doors, Uriah Heep, Colosseum, Santana, Pink Floyd, Procol Harum, Ten Years After und anderen Rock-Klassikern ist der heißkalte Sound der Hammond als Gegengewicht zur E-Gitarre kaum wegzudenken. Mein Vorschlag: Hören Sie doch mal "Deep Purple In Rock" (1970) als Hammond-Feature, am besten die Anniversary Edition von 1995. Sie bietet nicht nur - neu gemischt und digital - die bewährten Soli des Jimmy-Smith-Bewunderers Jon Lord, sondern auch einige überraschende Bonus-Tracks und Studiospäße.

Ende der 70er Jahre starb Larry Young, und die Hammond-Orgel schien überhaupt am Ende zu sein. Elektronik und Soundcomputer hielten damals Einzug in Pop und Jazz, das Instrument galt als musikalisch und technisch überholt, ein Relikt der Keyboard-Geschichte wie Cembalo und Spinett. Genau damals fing in München eine junge Dame das Orgelspiel an und fand ganz intuitiv zu ihrer eigenen Art und Weise, mit der B-3 umzugehen. Ihre beste Platte machte Barbara Dennerlein 1988, denn "Straight Ahead" bewegt sich fern der bekannten Klang- und Formkonzepte für Orgel-Combos. Schon die Verbindung von Hammond und Posaune war ziemlich ungewöhnlich, aber die expressive Chemie der Musiker geradezu experimentell.

Kurz darauf entdeckten die Jazz-DJs die alten Orgel-Grooves wieder, und die Hammond war plötzlich angesagt. Don Pullen und Amina Claudine Myers spielten sie, Jimmy Smith kehrte mit dem Etikett "Acid Jazz" auf die Szene zurück, Jack McDuff und Melvin Rhyne folgten, neue Namen machten von sich reden: Joey DeFrancesco, Larry Goldings, Dan Wall, James Taylor, Jeff Palmer. Heute kommt kaum ein Jazz-Pianist, der vom jungen Publikum gehört werden will, an der alten Hammond-Orgel vorbei. Eine der interessantesten Produktionen der letzten Jahre stammt jedoch von einem Altmeister, Big John Patton. Seine CD "Minor Swing" greift zwar auf bekannte Muster zurück, läßt den Emotionen aber Zeit und Raum. Kein Wunder: Der Saxophonist und Produzent dieser Aufnahmen ist John Zorn, ein Fachmann für musikalische Psychologie.

© 1996, 2002 Hans-Jürgen Schaal


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