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Instrumente des Jazz
MAULTROMMEL & CO.
(1994)

Von Hans-Jürgen Schaal

Sie tauchen in keinem Poll auf, nicht einmal unter "miscellaneous instruments". In der Musikalienhandlung liegen sie meist unbeachtet in einem Körbchen neben der Kasse. Sie gelten als zu leise und nicht seriös. Populärer sind sie als Spielzeug: Auf Kindergeburtstagen verkünden sie trötend und fiepend den Höhepunkt der Ausgelassenheit. Doch hin und wieder kommt ein gestandener Jazzmusiker daher, erinnert sich seiner Kindheitswurzeln und nimmt sich dieser schmählich vernachlässigten Tonwerkzeuge an. Was dabei herauskommt, erfahren Sie hier.

1.

Das altehrwürdige Instrument Maultrommel ist in den verschiedensten Kulturen rund um den Globus anzutreffen. Ich kenne Aufnahmen aus Ungarn und Schottland, aus Thailand und Kamerun. Obwohl in Südostasien, Indonesien und Neuguinea noch immer Instrumente aus Bambus hergestellt werden, hat sich allgemein die Maultrommel aus Eisen durchgesetzt. Sie besteht aus einem eisernen Bügel und einer daran befestigten Stahlfeder mit Zupfhaken. Der Bügel wird an die Zähne angelegt, der Mund dient als Resonanzraum. Durch das Anzupfen der Stahlfeder wird zusammen mit dem konstanten Grundton (Bordun) ein Oberton erzeugt und durch Mundakrobatik gefärbt.

Bei uns hört man die Maultrommel, wenn überhaupt, vorwiegend im Kinderprogramm. Ihr Stammplatz ist der Zeichentrickfilm - immer dann, wenn irgendetwas hüpft, schnalzt oder zurrt (in der Comic-Sprache: "boing! zack!"). Virtuosere Formen des Maultrommelspiels kennt man in Bayern und Österreich, wo das Instrument neben Hackbrett und Zither zum folkloristischen Inventar gehört. Da bewaffnen sich die Virtuosen mit zwei bis zehn Instrumenten gleichzeitig und sind damit gegen alle harmonische Unbill gefeit.

Ihr Ghetto-Dasein führt die Maultrommel noch nicht lange. Sie war seit den alten Römern und Kelten bis in die Neuzeit ein populäres Volksinstrument, hatte jedoch unter der Verachtung der Gebildeten oft zu leiden. Das spiegelt sich in so despektierlichen Namen wie Brummeisen oder Judenharfe (jew's harp), die man inzwischen zur jaw-harp oder juice harp geschönt hat. In Kamerun heißt die Maultrommel "bomboro", in Ungarn "doromb", in Indien "moorsing", in Frankreich "guimbarde", in Italien "aura", "marranzano", "scacciapensieri" - Namen, die über Jahrhunderte hin gewachsen sind.

Besondere Wertschätzung wurde der Maultrommel in der Romantik zuteil, als man in ihr ein Stück Volkstradition wiederentdeckte. Damals, um 1800, wurden allein in Riva am Gardasee täglich rund 2500 solcher Instrumente hergestellt. Die reisenden Maultrommel-Virtuosen kamen auf, Beethovens Lehrer Albrechtsberger komponierte Konzerte für das Instrument, die Dichter schwärmten von ihm. Von Schubart, Jean Paul und Justinus Kerner bis hin zu Mark Twain und James Joyce hat die Maultrommel die Literatur inspiriert - als ein Klang, der besondere Saiten in der Seele zum Schwingen bringt. Mit ihm werden seit je Geister beschworen und Mädchen verführt, und das offenbar mit großem Erfolg. Zeitweilig war das Instrument verboten, weil seinem zauberischen Ton kein Frauenzimmer widerstehen könne.

Bei so vielfältigen Qualitäten ist es nur zu bedauern, daß die Jazzmusiker nicht häufiger Gebrauch von der Maultrommel machen. Schuld daran sind natürlich die anderen Instrumente: Die sind viel zu laut. Dafür ist die Maultrommel im Vorteil, wenn es um Mobilität und Handlichkeit geht. Weil sie in jede Hosentasche paßt, nicht nur in alpine Lederhosen, hatten auch die Cowboys und Plantagenarbeiter in Nordamerika sie stets griffbereit. So kam die Maultrommel in die Countrymusik und den Blues - neben der ebenfalls praktischen Mundharmonika, die dank Toots Thielemans, Mauricio Einhorn, Hendrik Meurkens und anderen im Jazz wesentlich besser repräsentiert ist. Zu den Mundharmonikaspielern, die hin und wieder die Maultrommel rhythmisch wie ein Banjo einsetzen, gehören etwa der in der Countrymusik verwurzelte Howard Levy und der Blues-Musiker Sonny Terry. Vom Folk-Blues gelangte die Maultrommel gelegentlich auch in den Blues-Rock, etwa im legendären "Refried Boogie" der Band Canned Heat.

Ein anderer Grenzbereich des Jazz, wo die Maultrommel Asyl gefunden hat, ist die Weltmusik-Verbindung nach Südindien. Die Perkussionisten T.H. Vinayakram (in John McLaughlins Band Shakti) und Ramesh Shotham (z.B. auf Platten des Oud-Spielers Rabih Abou-Khalil) haben vorgeführt, wie man allein mit Zungenbewegungen schnelle Sechzehntelnotenfolgen auf der Maultrommel hervorbringt. Diese Zungenbewegungen folgen der indischen Trommlersprache, in der jeder Schlag einen Namen hat: "da", "dhin", "dikki". Welche Maultrommel dabei zu wählen ist, richtet sich nach dem vom Führungsinstrument vorgegebenen Grundton, wobei die Vina d, dis oder e bevorzugt. Um die Maultrommel präzise zu stimmen (in der Prim, Quart oder Quinte), greift man noch immer auf uralte Tricks zurück, wie Ramesh Shotham verrät: Mit etwas aufgetropftem Wachs erklingt der Bordun höher, mit der Feile kann man ihn tiefer einstellen.

Noch besteht Hoffnung für die Maultrommel auch im Mainstream, und dies dank eines Mannes, dessen Verdienste um den Jazz so zahlreich sind, daß seine Pioniertaten als Maultrommler nur selten gerühmt werden. Er hat den Bebop "erfunden", die moderne Jazz-Trompete, den Bop-Scat, den Bop-Jive, den Bop-Humor, die Bebop-Big Band, den afro-kubanischen Jazz... - und er spielte die Maultrommel: Dizzy Gillespie. "Get That Booty" und "Jew's Harp" sind zwei kleine Gag-Features, die Dizzy 1980 aufnahm. Ausführlicher ist das Instrument auf der 1982er Platte "To A Finland Station" zu hören: Da läßt Dizzy - zum Teil im Maultrommel-Duett mit dem Ziehsohn Arturo Sandoval - das Brummeisen mit einer finnischen Rhythmusgruppe "grooven". Auch hier ist er Jazzmusiker: unakademisch, aber erfindungsreich im Umgang mit dem Instrument.

2.

Ebenfalls aus dem Folk-Blues dürfte das Kazoo in den Jazz gekommen sein: eine Vorrichtung zur Verfremdung der menschlichen Stimme. Reclams Jazzführer nennt das Instrument "eine Kinderflöte aus Rohr", und wenn es nicht Kinder sind, die es spielen, so allenfalls seltsam clowneske Gestalten in der Fußgängerzone, die ein ganzes Orchester um sich herumhängen haben: Gitarre, Baßtrommel, Hi-Hat, Mundharmonika. Zu allem Überfluß singen sie dann noch in dieses "Rohr" und bringen darin eine Pergamenthaut zum Vibrieren, was dem Gesang einen schnarrenden Ton gibt und alle Worte überflüssig macht. Die Vornehmen nennen dieses "Instrument" Mirliton oder Sazzaphon. Die einfacheren Leute verzichten dagegen ganz auf das Rohr und singen einfach in ihren Kamm hinein, um den sie vorher ein Stück Seidenpapier gewickelt haben.

Weil man dafür keine Finger braucht, empfiehlt sich das Kazoo als Zweitinstrument für Gitarristen. Die waren es dann auch, die es vom Blues in den Jazz schmuggelten - Musiker wie Lonnie Johnson und Tampa Red. Und den Bläsern des frühen Jazz, die mit einer Menge von Dämpfer-Effekten versuchten, wie menschliche Stimmen zu klingen, kam das Kazoo von der anderen Seite halbwegs entgegen: Beiderbeckes Posaunist George Brunies und Ellingtons Trompeter Rex Stewart schufen auf dem Kazoo vokale Parodien ihres Instrumentalstils. Auf den alten Aufnahmen aus den zwanziger Jahren klingt der Unterschied freilich minimal.

Selten hat sich das Kazoo später aus dem Dunstkreis der Skiffle- und Waschbrett-Bands herausgearbeitet. Auch wenn Don Cherry, von Sitar, Berimbau und Jazzbesen exquisit begleitet, sein "Clicky-Clacky" durchs Kazoo singt, entfernt er sich nicht wesentlich vom Folk Blues eines Jesse Fuller. Eine besondere Aufwertung jedoch erfuhr das Instrument neuerdings durch den musikalischen Advokaten Paolo Conte, der mit seinen italienischen Sprechchansons solche Erfolge feiert, daß er wohl seine Anwaltspraxis nie mehr betreten muß. Da er gerne Jazzsoli spielen würde, es aber nicht kann, greift er des öfteren zum Kazoo. Nur: Singen kann er halt auch nicht.

3.

Die Melodica ist ein höchst beliebtes Anfängerinstrument in der Vorschulerziehung. Weil es erste Übungen in Atemtechnik mit einem Kennenlernen der Klaviatur verbindet, eröffnet es Wege sowohl zum Blas- wie zum Tastenvirtuosen. Aber nicht nur Pädagogen haben ihre Freude an der Melodica, auch verspielte Jazzmusiker setzen immer öfter den warmen Sound des Kinderinstruments ein, obwohl die Intonation kaum im Sinne des Jazz zu manipulieren ist.

Ein prominenter Melodica-Spieler ist der Schlagzeuger Jack DeJohnette, der trotz seiner phantastischen Trommelkunst immer schon den Ehrgeiz hatte, auch auf Klaviertasten einzuschlagen. Da seine pianistischen Läufe lange Zeit nicht seinen eigenen Ansprüchen genügten, verfiel er auf die Melodica: Da werden die Phrasen auf natürliche Weise vom Lungenvolumen gegliedert. Für Stanley Cowells wunderschöne Ballade "Equipoise" holte sich DeJohnette schon 1968 einen zweiten Drummer ins Studio, um sich ganz auf die Melodica zu konzentrieren. In seiner Band "Special Edition" gar ergänzte er zwei Saxophone und den gestrichenen Baß durch die Melodica zum Legato-Quartett. Erst nach solchen Vorübungen wagte er sich 1985 an sein "Piano Album".

Als spielerische Klangfarbe taucht die Melodica in verschiedenen Free-Jazz-Zusammenhängen auf, zum Beispiel im Art Ensemble of Chicago, dessen Bassist Malachi Favors sie regelmäßig einsetzt. Dennoch ist sie hier leicht zu überhören, denn Favors' Kollegen Mitchell und Jarman schleppen ja ständig mehr als 20 Instrumente mit sich herum. Gleich drei Melodica-Virtuosen waren in der holländisch-amerikanischen Band "Available Jelly" am Werk und imitierten mit dem Instrument auch ein Balkan-Akkordeon. Pianist Uli Scherer mischte die Melodica hin und wieder in den Soloreigen des Wiener Art Orchesters, und Saxophonist Mario Rivera solierte darauf in Tito Puentes Salsa-Band.

Ungetrübt ist die Melodica beim Trompeter Don Cherry zu genießen, dem Free-Jazz-Pionier und Weltmusik-Schöpfer. Neben einem reichen Flötenarsenal aus verschiedenen Kontinenten sowie Doussn'Gouni, Klavier, Orgel und Stimme gehört die Melodica zur ersten Garnitur seiner "Zweitinstrumente". Mit ihrem weichen, traurigen Ton machte Don Cherry indianisch getönte Melodien wie "Malinye" und "Roland Alphonso" zu Ohrwürmern. Auch bei der Erstaufnahme seiner nostalgischen Swing-Nummer "Art Deco" mischte 1985 die Melodica mit.

4.

Neben der Melodica ist nach wie vor die Blockflöte das klassische Anfängerinstrument und wird von den Musiklehrern gern in ganzen Chören zu Gehör gebracht. Sobald es seriös wird, hat sie jedoch gegen die Konzert-Querflöte keine Chance mehr - und das eigentlich schon seit Mitte des 18. Jahrhunderts. Immerhin: Bach schrieb noch für die hölzerne Schnabelflöte, und neuerdings akzeptiert man auch wieder Blockflötenvirtuosen - wie Frans Brüggen und Michala Petri. Das Wiener Blockflöten-Ensemble versuchte sich in den 80er Jahren sogar an freien Improvisationen auf sechs Instrumenten.

Im Jazz wirkt das brave, stille und in der Tongebung undankbare Instrument wie ein kurioser Irrläufer. Jazzmusiker, die als Kinder auf der Blockflöte virtuos waren, haben mühelos das wesentlich nützlichere Saxophonspielen gelernt - wie etwa die Engländerin Barbara Thompson. Hin und wieder startet die Fusion-Saxophonistin jedoch in folkloristische Klangausflüge, und da holt sie dann das alte Instrumentchen aus Kindertagen aus der Mottenkiste. Zu schämen braucht sie sich dafür nicht: Stücke wie "Listen To The Plants" gehören zu den Höhepunkten ihrer Konzerte.

Daß man mit der Blockflöte im Jazz doch allerlei anfangen kann, haben bei Gelegenheit auch andere respektable Instrumentalisten demonstriert. Klavier-Guru Keith Jarrett setzte Blockflöten (zusammen mit exotischen Holzflöten) nicht erst auf seinem Doppel-Album "Spirits" ein, sondern auch schon vor 25 Jahren im Trio mit Charlie Haden und Paul Motian. Der britische Saxophonist John Surman kombinierte frech die Blockflöte mit der Tamboura, und Posaunist Art Baron spielte sogar innerhalb der Avantgarde-Big Band von George Gruntz ein Solo auf der Baßblockflöte.

Ein echter Flötenexperte ist der tschechische Saxophonist Jiri Stivin, der auf seinen Platten beinahe in jedem Stück ein anderes Instrument präsentiert. Neben der Böhmflöte und allerlei Holz- und Keramikflöten ist er besonders auf Blockflöten spezialisiert, die er in freien Improvisationen, aber auch mit Anklängen an Folklore und Renaissance einsetzt. Zuweilen spielt er auf der Blockflöte sogar rasant swingende Soli über Jazz-Harmonien, etwa in den beiden Glanzstückchen "Puzzle Game" und "The Sanguinics". Auch Göran Ericksson kann auf der Blockflöte jazzen: Sein Solo über Charlie Parkers "Yardbird Suite" war auf der Debütplatte der Anachronic Jazz Band zu hören.

5.

Eine ebenfalls beliebte Schnabelflöte ist die Penny Whistle, auch "Tin Whistle" oder "Flageolett" genannt. Sie wird vielfach in der irischen und schottischen Volksmusik verwendet und übertönt mit ihrem hohen Pfeifen auch wesentlich lautere und ernsthaftere Instrumente. Gewöhnlich besteht die Penny Whistle aus einem kleinen, geraden Metallrohr mit sechs Löchern und einem Plastikschnabel-Mundstück. Die Grifftechnik ist simpel, Halbtöne erzeugt man durch "halbes" Schließen des Grifflochs. Die Instrumente werden im Sopran in den verschiedensten Tonarten angeboten, Stimmungen in Altlage sind dagegen selten. In der Grundoktave ist die Penny Whistle noch sehr leise, wird aber bei Freiluftveranstaltungen mühelos in der 2., 3., 4. und weiteren Oktaven überblasen.

Wer soviel Atem zur Verfügung hat wie der Tubaspieler Howard Johnson, der tut sich natürlich schwer, bei einer schnellen Improvisation auf der Penny Whistle immer die richtige Oktave sauber zu treffen. Nachzuhören ist Johnsons Jazz-Solo auf Erica Lindsays Stück "Gratitude", wo dieses Instrument angebracht schien, "the joy of being alive on this earth" musikalisch auszudrücken. Ähnlich virtuos und lebensfroh äußert sich der Hornist David Amram auf der Penny Whistle. In einigen Stücken seiner Platte "Latin-Jazz Celebration" übernimmt das Instrument selbstbewußt die Führung - selbst gegenüber Saxophonen und Querflöte.

Auch im Jazz entfernt sich die Penny Whistle meist nicht weit von ihrem angestammten Gebiet, der raschen, tänzerischen Folklore. Paul McCandless, der Multi-Bläser des Klassik-Ethno-Jazz-Quartetts Oregon, setzt das Instrument hin und wieder in diesem Sinne ein. Meditativer und jenseitiger erklingt es beim Klanggrübler Stephan Micus. Wer allerdings gewohnt ist, ein ordentliches Tenorsaxophon röhren zu lassen, wird seine Finger nur schwer auf die Löcher der winzigen Penny Whistle zwingen können. Die Ausnahme: Barbara Thompson. Sie gab ihr Aufnahmedebüt an der Penny Whistle 1993 mit dem Stück "Ancient Voices".

6.

Von der Kinderpfeife ist es nur noch ein kleiner Schritt bis zum Naturlaut: dem Whistling, dem Pfeifen mit den Lippen. Der echte Musensohn, das wußte schon der alte Goethe, trägt sein Instrument stets im Munde: "Durch Feld und Wald zu schweifen / Mein Liedchen wegzupfeifen / So geht's von Ort zu Ort". Zu philosophischen Ehren kamen die gespitzten Lippen dann bei Hermann Hesse, der die Fähigkeit, "auf mich, auf euch, auf alle Welt zu pfeifen", als Vervollkommnung dieser Kunstübung ansah. Thomas Mann schließlich berichtet vom Violinvirtuosen Rudolf Schwerdtfeger, dessen größter Spaß es war, klassische Tonwerke mit allen Feinheiten der Vortragskunst pfeifend zum besten zu geben.

Im Jazz wurde das Kunstpfeifen durch den Belgier Toots Thielemans populär, der ja auch auf der verpönten Mundharmonika Standards und sogar Stücke von Rollins und Coltrane zu spielen wagt. Ein Welthit war 1962 sein Jazz-Walzer "Bluesette", bei dem er sein Pfeifen mit der Gitarre begleitet. Der Amerikaner Ron McCroby nennt sich - aus Respekt vor Thielemans - "The Other Whistler" und sein Instrument - in Anlehnung an die Piccolo-Flöte - "Puccolo". 1982 wurde er von den US-Medien entdeckt und wie ein vom Aussterben bedrohter Exote hofiert. Auf seiner Debüt-Platte suchte er mutig die Konfrontation mit einem echten Flötisten, Sam Most, und konnte dabei die verblüffende Sicherheit seiner Phrasierung beweisen. Neben Standards bevorzugt der "Puccoloist" McCroby den modernen Jazz der 40er und 50er Jahre: Kompositionen von Clifford Brown, Gerry Mulligan, Miles Davis, Benny Golson, Jimmy Giuffre, Dave Brubeck oder Paul Desmond.

Wie das Kazoo ist das Whistling kein eigentliches Instrument. Es verlangt keine spezifische Fingertechnik, sondern eine musikalische Naturbegabung. Kein Wunder, daß es - wie das Kazoo - im frühen Jazz und Blues ein beliebtes und erheiterndes Ausdrucksmittel war. Zu den bekannteren Musikern, die das Whistling erfolgreich praktizierten, gehören immerhin Bing Crosby, Bob Haggart und Blues-Musiker wie Meade Lux Lewis, Willie Dixon und Memphis Slim. Auch im neueren Jazz sind es oft Vokalisten, die einen Chorus Mundblasen wagen: Leon Thomas gab diese Kunst bei seinem Gastspiel in der Band Santana zum besten. Eine besondere Variante bietet die "mouth music" von Joel Brandon, der mit Muhal Richard Abrams und Chico Freeman Aufnahmen gemacht hat: Avantgardist Brandon setzt auf dezente Weise die Stimme als Verstärker ein und erreicht damit eine Art Synthesizer-Effekt. Man muß ja schließlich mit der Zeit gehen.

© 1994, 2002 Hans-Jürgen Schaal


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