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Atlantic Records
50 Years Anniversary
(1999)
Von Hans-Jürgen Schaal
Geboren wurde Ahmet Ertegun 1923 in Istanbul, seine Jugend verbrachte er in Washington. Dass das Diplomatenkind der musikalischen Magie des Gastlandes erlag und dort 1947 eine Plattenfirma gründete, daran war vor allem sein älterer Bruder Nesuhi schuld, ein dezidierter Jazz-Fan. Und nachdem Ahmet seine Firma "Atlantic Records" erfolgreich mit Rhythm'n'Blues-Platten etabliert hatte (Ray Charles, Aretha Franklin), stieg Bruder Nesuhi dann auch 1955 als Jazz-Produzent mit ein. Retrospektives interessierte ihn wenig: Er richtete sein Augenmerk sofort auf die Avantgarde der swingenden Musik, auf große Stilbildner wie Charles Mingus, Ornette Coleman, John Coltrane. Dank Produzenten wie George Avakian, Arif Mardin, Michael Cuscuna oder Joel Dorn entstand über die Jahre ein hochkarätiger Jazz-Katalog - wenn auch im Schatten so erfolgreicher Rock- und Pop-Acts wie Phil Collins, Led Zeppelin, Cream, Abba, AC/DC, Rolling Stones oder Genesis.
Doch zum 50. Jubiläum von Ahmet Erteguns Lebenswerk hat man sich auch der Pionierleistungen seiner Jazz-Abteilung erinnert. 50 Meisterwerke wurden in preisgünstigen Digipak-Ausgaben neu aufgelegt - vom Art Ensemble of Chicago bis zum Modern Jazz Quartet, von Chick Corea bis Lennie Tristano. Alle Zutaten sind original wie einst: Covers, Liner notes, Zusammenstellung der Stücke und sogar der Sound ("analog remastered"). Falsch ist die Behauptung, dass diese Aufnahmen "alle erstmals auf CD" erscheinen: Viele von ihnen waren zuvor schon im Midprice erhältlich und besaßen obendrein Bonus Tracks. Auch die Entscheidung, den "originalen LP-Sound" zu erhalten, ist nicht unbedingt zu begrüßen: Die bereits vorhandenen digital remasterten CDs klingen schlicht besser. Ärgerlich zudem, dass die gesamte Jubiläums-Serie auf den Außenhüllen keine Besetzungen verrät (und oft nirgendwo ein Aufnahmedatum).
Die Bedeutung der Serie liegt also vor allem auf jazzgeschichtlichem Gebiet. Zum ersten Mal wird ein wichtiges Kapitel der Jazz-Produktion zusammenhängend und im historischen Outfit dokumentiert - darunter bahnbrechende Werke aus der Free-Jazz- und Soul-Jazz-Periode. Charles Mingus' "The Clown" (Musik: überragend, Klang: historisch) gehört - neben Mingus-Werken wie "Pithecanthropus Erectus" und "Tonight At Noon" - zu den Wegbereitern des freien Jazz. Wie der Bassist hier mit nur zwei Bläsern eine fast orchestrale Expressivität und Dramatik erschafft, ist ein kaum jemals zu kopierendes Kunststück. Keith Jarretts "El Juicio" (Musik: sehr gut, Klang: gut) ist eine der besten Aufnahmen von Jarretts amerikanischem Quartett mit Bläser Dewey Redman. Neben seinem hypnotisierenden Klavierspiel bietet Jarrett zwei ausgedehnte Kostproben auf dem Sopransax: Im Verein mit den Ex-Ornette-Sidemen Redman und Haden geraten sie zur Hommage an den Vater des Free Jazz. Einen Leckerbissen des geschmackvollen Soul-Jazz stellt Nat Adderleys "Sayin' Something" dar (Musik: gut, Klang: befriedigend). Der Komponist von "Work Song" und "Jive Samba" spielt seine vom Gospel gesegnete Trompete in zwei verschiedenen Besetzungen - unter anderem mit Joe Henderson, Herbie Hancock und dessen Hit "Canteloupe Island".
© 1999, 2007 Hans-Jürgen Schaal
© 1999 Hans-Jürgen Schaal |
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