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Andy Razaf
Der Herzog von Harlem
(2005)

Von Hans-Jürgen Schaal

Eigentlich hieß er Andreamenentania Razafinkeriefo und war ein madegassischer Prinz. Sein Großvater, 1850 in Missouri noch als rechtloser Sklave geboren, hatte eine erstaunliche Karriere als Anwalt und Politiker gemacht und wurde 1891 als US-Konsul nach Madagaskar geschickt. Anstatt sich dort an die französische Protektoratsverwaltung zu wenden, verhandelte er aber mit dem traditionellen Königshaus der Howa und erwarb Land für eine afro-amerikanische Kolonie. Seine älteste Tochter heiratete sogar einen Neffen und möglichen Thronfolger der Königin Ranavalona III. Doch die Franzosen fürchteten den amerikanischen Einfluss und machten dem schwarzen US-Konsul den Prozess: Der Schwiegersohn verlor sein Leben, der Rest der Familie floh in die USA, der Enkel Andrea kam als Halbwaise 1895 in New York zur Welt.

Von klein auf drängte es Andy, sich Gehör zu verschaffen. Mit 13 schrieb er seinen ersten Songtext, mit 17 verkaufte er den ersten Song. Einblick in die Showbranche erwarb er sich als Liftboy in der Tin Pan Alley und am Broadway. Mit Eloquenz und Würde engagierte er sich für die Emanzipation der Schwarzen, führte in Harlem öffentliche Reden, publizierte gereimte Zeitungskolumnen und schrieb 1919 einen Song zu Ehren der schwarzen 15. Infanterie, den er selbst an den Straßenecken vortrug. Dann kam der Jazz und Harlem wurde en vogue: „Duke Andre“, der populäre Harlem-Aristokrat, zog von Club zu Club, stellte als „Crooning Andy“ seine Songs vor und suchte einen komponierenden Partner. Er fand ihn im gerade 18-jährigen Stride-Pianisten Fats Waller, einem genialischen, unberechenbaren Talent, das die Melodien nur so aus sich herausschleuderte. Mit Waller konnte man nur spontan arbeiten oder gar nicht: Ihre gemeinsamen Songs improvisierten sie oft erst auf dem Weg zum Verleger, singend und swingend die Straße entlang. Die größten Hits – „Ain’t Misbehavin’“, „Honeysuckle Rose“, „Black And Blue“, „The Joint Is Jumpin’“ – entstanden beim Mittagessen, im Zug oder übers Telefon.

So lernte Razaf in jeder Lage zu schreiben, verfertigte Songlyrics in Echtzeit beim Hören der Musik. „Ich habe nie gesehen, dass du eine Zeile ausradierst“, staunte Eubie Blake. Hin und wieder schafften es Razafs Lyrics bis zum Broadway, aber am Ende blieb die Rassenschranke auch für ihn unüberwindbar. Stattdessen fand der erfolgreichste schwarze Texter Worte für die Theme Songs der Big Bands: 1935, im Jahr eins des Swing, erklang mehr als 20.000-mal ein Razaf-Titel im US-Radio. Über 800 Songs schrieb er und mehr als 1.000 Gedichte. Als er resignierte, erkrankte er 1951 an syphilitischen Lähmungen – aber 1964 heiratete er dennoch zum vierten Mal. „Mit meiner Hautfarbe erhielt ich meinen Sinn für Humor, meine Gabe zu lachen und meine Seele.“

© 2005, 2009 Hans-Jürgen Schaal


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