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Auszeichnungen hat sie schon viele bekommen, aber auf diesen Preis ist sie besonders stolz: Im November 2011 erhielt Tineke Postma den niederländischen Edison Jazz Award für ihr neues Album „The Dawn Of Light“. Es ist schon ihre fünfte CD in neun Jahren. 2003 machte die niederländische Alt- und Sopransaxophonistin ihren Abschluss am Amsterdamer Konservatorium, zwei Jahre später begann sie selbst dort zu unterrichten. Seitdem spielte sie auf zahlreichen renommierten Club- und Festivalbühnen in New York, Chicago, London, Berlin, Perugia, Tokyo, Djakarta oder Hanoi – eine Bilderbuchkarriere. Für den Evening Standard (London) ist sie bereits „one of the leading ladies in jazz“.

Tineke Postma
„New York inspiriert enorm“
(2012)

Von Hans-Jürgen Schaal

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Du hast schon als Kind mit dem Saxofonspielen begonnen. Warst du da bereits Jazzfan?

Tineke Postma: Ich fing mit acht Jahren auf Flöte und Klavier an. Mein Vater hatte viele Jazzplatten und ich mochte Jazz von Anfang an. Ich begann also nach Gehör mitzuspielen, meine frühesten Heroen waren Cannonball Adderley, John Coltrane und Miles Davis. Mit elf Jahren begann ich auf dem Saxofon, mein Vater ermutigte mich dazu. Das Musikmachen empfand ich als etwas sehr Natürliches. Besonders der Jazz zog mich an – wegen seiner magischen Harmonien und Rhythmen.

Was hielten deine Schulfreunde davon?

Meine Freunde unterstützten mich, weil sie auch alle künstlerisch interessiert waren. Ich war allerdings die Einzige in der Schule, die Jazz mochte. Die Leute um mich herum fanden das aber nicht seltsam, sondern ziemlich cool.

Wie wichtig war für dich die Erfahrung, Jazz live im Konzert zu hören?

Sehr wichtig! Was die Musiker auf der Bühne machten, schien wie Zauberei. Mir gefiel die musikalische Kommunikation und die Energie da auf der Bühne. Ich hatte zuerst einen klassisch ausgebildeten Lehrer, aber das Live-Erlebnis Jazz änderte mein Leben: Ich beschloss, Jazz zu studieren. Nach der Schule ging ich an die Jazz-Konservatorien, studierte bei Ferdinand Povel und Jasper Blom in Amsterdam. Schon als ich 15 oder 16 war, wollte ich nichts anderes mehr werden als Jazzsaxofonistin.

Du hast aber auch in New York studiert, bei Dave Liebman und Chris Potter. Ist der Jazz in New York noch immer authentischer als hier?

Authentizität und große Musiker gibt es heute überall auf der Welt, aber in New York ist die Qualität besonders hoch. Das Einzige, wodurch du dich da auszeichnen kannst, ist dein persönlicher Stil, deine Integrität. Und das findet man in New York: große Musiker mit persönlichem Stil. Das inspiriert enorm.

Für mich ist Dave Liebman der „Guru“ des Sopransaxofons. Wie hast du ihn erlebt?

Das Sopranspielen als solches ist definitiv nicht mehr von David zu trennen. Er hat einen großartigen persönlichen Sound. Ich habe von David gelernt, außerhalb der traditionellen Harmonik zu denken – das hat mein harmonisches Spektrum sehr geöffnet.

Du hast vermutlich auf dem Altsaxofon begonnen. Welches ist heute dein Hauptinstrument?

Ich begann auf dem Alt und nahm im Jahr 2000 das Sopran hinzu. Ich liebe sie beide, beide sind gleich wichtig für mich. Den Sound des Soprans habe ich sofort gemocht: Es war, als käme ich nach Hause.

Empfindest du das Alt- und das Sopransaxofon als verschiedene „Persönlichkeiten“? Wo sind die Unterschiede?

Ja, sie sind verschieden. Ich entscheide meist beim Komponieren, welches Instrument ich benutzen werde. Manchmal ändere ich das aber wieder oder wechsle auch innerhalb des Stücks das Instrument. Das Sopran kann kantiger, nervöser sein als das Alt – und mir fällt es leichter, auf dem Sopran lyrisch zu klingen. Auf dem Sopran spiele ich weniger „traditionell“.

Nennst du mir ein paar deiner musikalischen Favoriten?

Wayne Shorter, Greg Osby, Rudresh Mahanthappa, Bunky Green gehören momentan zu meinen Lieblingen. Ich höre auch eine Menge klassischer Musik, zum Beispiel Ravel, Debussy, Chopin, Villa-Lobos.

Ich mag die Art, wie du deine Stücke baust. Sie sind nie zu schlicht, manchmal sogar verwinkelt, aber sie besitzen immer eine melodische Rundung. Wie gehst du dabei vor?

Erst mal danke für das Kompliment. Ich komponiere ziemlich spontan: Ich fange einfach an zu schreiben und überlege dann, wie es weitergehen könnte. Meist schreibe ich an mehreren Stücken gleichzeitig – und wenn ich ein paar zusammen habe, schaue ich, was da noch zu ihnen passen könnte. Eine starke Melodie ist mir wichtig und eine Basslinie (meist kontrapunktisch), und wenn die funktionieren, kann man den Song ganz verschieden angehen und wirklich darüber improvisieren. Die Basis des Stücks muss stark sein.

Wie viel Selbstbewusstsein braucht man, um sich in der Jazzszene heute durchzusetzen?

Um als Bandleader oder Gastsolist Arbeit zu bekommen, braucht man Zeit und Geduld. Und man muss wissen, was man will und was man kann. Hilfreich ist auch, wenn man weiß, was man mit seiner Musik eigentlich sagen möchte.

Welche deiner Auszeichnungen sind dir besonders wichtig?

Neben den Nominierungen für den Edison Award in den Niederlanden habe ich auch in Frankreich angesehene Preise bekommen. Das ist toll, besonders wenn man weiß, dass es für Ausländer nicht immer einfach ist, in Frankreich Aufmerksamkeit zu gewinnen.

Du bist am Anfang deiner Karriere auch mit Candy Dulfer aufgetreten?

Sie war ein großes Vorbild für mich, als ich ganz jung war. Sie hat mich zweifellos dazu inspiriert, eine musikalische Karriere einzuschlagen, obwohl sie ja einen anderen Stil spielt. Sie ist ein ganz lieber Mensch und eine großartige Funk-Musikerin.

Du hast einmal gesagt, Jazz-Improvisation sei ein Spiegel deines persönlichen Zustands. Spielt man besser, wenn man sich gut fühlt?

Gute Frage! Nein, ich glaube nicht, dass ich mich besonders wohl fühlen muss, um gut zu spielen. Sogar im Gegenteil: Wenn ich ruhelos bin, etwas nervös und unausgeglichen, kann ich mich besser konzentrieren. Dann bin ich kreativer.

In den Kritiken deiner CDs heißt es oft: Tineke wird immer besser, sie wächst ständig. Muss ein Künstler immer wachsen und sich verbessern – oder darf er sich auch einfach mal verändern?

Ich werde immer besser. Ich betrachte mich kritisch, nehme meine Konzerte auf, höre sie mir hinterher an und analysiere sie. Ich nehme immer noch Unterricht und reise oft nach New York. Die Musiker, mit denen ich arbeite, sind genauso. Künstlerische Entwicklung bedeutet Wachstum: Du näherst dich immer mehr deinem inneren Kern und Stil an, du fühlst dich immer mehr zu Hause bei dir.

Die Schlagzeugerin Terri Lyne Carrington gilt als deine Mentorin. Wie fandet ihr zueinander?

Ich gewann 2002 in Los Angeles einen Preis namens „Sisters in Jazz“. Es wurde dann eine Band aus allen Preisträgerinnen gebildet und Terri Lyne coachte uns. Wir gaben einige Konzerte in Amerika und Europa. Danach bat ich sie um die Liner notes für meine Debüt-CD „First Avenue“ – und sie lud mich in ihre Band ein. Sie spielt auch auf drei meiner CDs.

Du wirkst bei Terri Lynes „Mosaic Project“ mit, sie selbst nennt es „a celebration of female artists“.

Es ist ein großartiges Projekt mit fantastischen Musikerinnen wie Dianne Reeves, Esperanza Spalding oder Geri Allen. Es zeigt, dass Frauen im Jazz gleichwertig sind und dass es immer mehr Frauen gibt, die auf sehr hohem Niveau spielen. Terri Lyne ist fantastisch – und ich bin glücklich, dass sie mich dazugebeten hat.

Seit einiger Zeit wird der Jazz als kreatives Modell für Manager entdeckt. Glaubst du, dass man grundsätzlich von Jazzmusikern viel lernen kann?

Aber ja! Mit einer Gruppe improvisieren, zusammen kreativ sein und auftreten: Das sind Elemente der Jazzpraxis, die auf jedes Arbeitsfeld angewendet werden können. Du musst im Jazz flexibel sein oder Flexibilität entwickeln, spontan sein und dich selbst und deine Art zu kommunizieren ehrlich betrachten. Du lernst, etwas in Kooperation mit anderen zu erschaffen.

Es heißt, der Altsaxophonist Greg Osby sei ein guter Freund von dir.

Greg ist ein großes Vorbild für mich – als Komponist und Saxophonist. Er stellt sich immer auf dieselbe Stufe mit seinen Studenten und gibt nie vor, besser oder weiter zu sein als sie. Er zwingt mich immer, dass ich nicht auf „Autopilot“ schalte, sondern mir meiner Absichten bewusst bin, wenn ich improvisiere. Seine Methoden und sein Stil haben mein Spiel geöffnet: Er gab mir eine klare Richtung vor. Ich mag seinen Sound und seine modernen Linien. Da gibt es nie einen langweiligen Moment!

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© 2012, 2014 Hans-Jürgen Schaal


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