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Joe Lovano & Greg Osby
Friendly Fire
(2010)

Von Hans-Jürgen Schaal

Dieses Album sei eine Jamsession, heißt es im CD-Booklet, allerdings eine zeitgemäße, „state of the art“.

So viel ist jedenfalls richtig: Hier treffen zwei große Musiker aufeinander, die sonst getrennte Wege gehen, und sie begegnen sich äußerst offen, kreativ, spontan, wechselseitig inspirierend und mit viel Spaß an der Sache.

Andererseits: Das Technisch-Wettkämpferische einer gewöhnlichen Jamsession fehlt. Viel zu sehr liegt den beiden die künstlerische Qualität am Herzen. Auch vom sorglosen Griff ins Real Book, der sonst Jamsessions auszeichnet, ist hier nichts zu spüren. Im Gegenteil: Beide Protagonisten bringen jeweils drei besondere Originals mit, dazu kommen weitere exklusive Stücke ihrer gemeinsamen Helden Ornette Coleman, Thelonious Monk und Eric Dolphy, all das originell arrangiert und vorbereitet, definitiv kein Jam-Stoff. Ebenso ist die Begleitband keineswegs eine „on the spot“ zusammengestellte Rhythmusgruppe. Mit Cameron Brown und Idris Muhammad bildete Joe Lovano damals (1999) ein festes Trio – und Pianist Jason Moran war gleichzeitig der Shooting-Star in Greg Osbys Band. Damit war das Quintett komplett.

Bei Jamsessions werde der beste Jazz gespielt, meinte der Produzent Norman Granz einmal. In diesem Sinn allerdings ist „Friendly Fire“ tatsächlich eine Jamsession: Besser als hier geht’s nicht.

Wir verdanken diese Produktion dem 60. Geburtstag des Labels Blue Note im Jahr 1999. Da war Blue Note noch ein echtes Jazzlabel, Norah Jones war noch nicht in Sicht. Aber der Erfolg von US3 („Cantaloop“) lag erst wenige Jahre zurück und hatte das Blue-Note-Archiv zum Lieblingsobjekt aller Jazz-DJs und Remixer gemacht.

Joe Lovano und Greg Osby gehörten dagegen zum lebendigen Kapital des Labels: Die beiden Vorzeige-Saxophonisten wurden zur Jubiläumsfeier in diesem besonderen Projekt vereint.

Hier Lovano, der spät entdeckte Meister des Tenorsaxophons, der alle Polls abräumte, aber immer wieder über den Mainstream hinausschoss, in seinem grummelnden, rauchigen Spiel scheinbar die ganze Geschichte seines Instruments zusammenfasste und ihm ständig neue Farben, neue Funktionen erfand. Und dort Osby, das längst noch nicht gebührend anerkannte Genie des Altsaxophons, ein Architekt schwereloser, gläserner Silhouetten, der durch immer wieder neue Türen in seine Soli findet und mit seinen Saxophonlinien so eigenwillig zwischen Kraft und Schönheit balanciert. Die Begegnung der beiden: ein wahr gewordener Traum.

Dieses Album hat nur Highlights. Zum Beispiel Dolphys Blues „Serene“, der seinem Titel (= heiter, gelassen) hier wirklich gerecht wird. Dolphy spielte das Stück immer auf der Bassklarinette, einem seiner drei Hauptinstrumente, doch Lovano und Osby wählen genau die zwei anderen: Flöte und Altsax. Fröhlich klingt das Stück jetzt, Flöte und Jazzbesen machen das Thema federleicht, ein luftiges Pianosolo folgt, Osbys Altsolo verbeugt sich unangestrengt vor dem Komponisten. Dann auch Ornettes „Broadway Blues“ mit all den Brüchen und Tempowechseln, die dazugehören, oder „Monk’s Mood“ als Rubato-Ballade von Lovano und Moran. Und natürlich die Originals, kraftvolle Einfälle allesamt, jedes Thema ein kleines Wunder! Osbys kantig zerklüftetes „Geo J Lo“ (die Namenskürzel für Osby und Lovano) ruft das unvergessen intelligente M-Base-Feeling in Erinnerung. Lovanos „Idris“ (eine Hommage an den Drummer) kombiniert zwei Sopransaxophone, reizt ihre Farben aus, ihre Wärme und Dissonanz, bringt auch Flöte und Altsax herein, eine Klangreise von fast 12 Minuten. In dieser Session steckt alles von Blues bis Free: 100 CDs in einer.

© 2010, 2014 Hans-Jürgen Schaal


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