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Wie der Name schon vermuten lässt, kommt die Nyckelharpa aus dem Norden: In Schweden gilt sie als Nationalinstrument, ihr Bild ziert sogar die Rückseite des schwedischen 50-Kronen-Scheins. Ob die „Tastenfidel“ dort erfunden wurde, ist allerdings unklar. Denn im Mittelalter war sie – aus der Drehleier entwickelt – in Deutschland, Dänemark, Flamen, Österreich oder Italien ebenso sehr zu Hause. Nun aber, aus Schweden wiederkommend, erobert sie gleich die ganze Welt.

Instrumente der Welt: Nyckelharpa
Aus schwedischer Fichte
(2013)

Von Hans-Jürgen Schaal

Von einer Geige unterscheidet sich die Nyckelharpa durch zweierlei: erstens durch die Tasten („Schlüssel“, „keys“), mit denen man die Saiten drückt, anstatt sie direkt mit den Fingern zu greifen, und zweitens durch die unter den Melodiesaiten gelegenen Resonanzsaiten. Diese sind es, die dem Instrument seinen besonderen, kraftvollen, obertonreichen Klang geben, den wir sofort mit Volksmusik und Renaissance verbinden. Besonders das Fichtenholz soll diese Klangfülle begünstigen, aber auch Tanne und Ahorn sind beliebtes Baumaterial für die Nyckelharpa. Das einen Meter lange und zwei Kilogramm schwere Instrument wird im Sitzen gespielt, dabei quer über den Schoß des Spielers gelegt und in dessen Nacken von einem Band gehalten. Die rechte Hand bedient den kurzen Streichbogen, die linke greift von unten am Hals des Instruments die Tasten.

Frühe Exemplare von Nyckelharpor (so die Pluralform) haben sich nur in Schweden, Finnland und Norwegen erhalten. Das könnte daran liegen, dass man in Skandinavien nie aufgehört hat, dieses Instrument zu schätzen, während es in Kontinentaleuropa irgendwann ganz in Vergessenheit geriet. Nach der Barockzeit wurde die Nyckelharpa offenbar tatsächlich nur noch in Schweden gespielt. Dort hat man um 1700 auch damit begonnen, Resonanzsaiten einzuziehen, um dem Volksmusik-Instrument seine besondere Klangqualität zu geben. Im ständigen Wettkampf mit der Geige, den die Nyckelharpa in Mitteleuropa bereits verloren hatte, entwickelten sich in Schweden immer neue, immer komplexere Bautypen wie Enkelharpa, Silverbasharpa, Kontrabasharpa, Mixturharpa oder Österbyharpa. Auch gab es herausragende Virtuosen wie den legendären Byss-Calle (1783-1847). Im 20. Jahrhundert schließlich entstand die moderne chromatische Nyckelharpa: August Bohlin baute sie erstmals in den Zwanzigerjahren, Eric Sahlström hat sie weiterentwickelt. Vier Spielsaiten hat sie, wovon eine traditionell als „leere“ Bordunsaite dient und nicht gegriffen wird, dazu 37 Tasten (drei Oktaven Tonumfang) und zwölf chromatisch gestimmte Resonanzsaiten.

Seit der Folk-Bewegung der 1960er- und 1970er-Jahre zeigt die Karriere der „Tastenfidel“ steil nach oben. Als das eigentliche Stammgebiet der Nyckelharpa-Volksmusik gilt Uppland, die Landschaft nördlich von Stockholm. In dem uppländischen Ort Tobo, wo der Nyckelharpa-Erneuerer Eric Sahlström geboren wurde, gründete man ein nach ihm benanntes Volksmusik-Institut, während unweit davon in Österbybruk sogar jährliche Nyckelharpa-„Weltmeisterschaften“ stattfinden. Musiker wie Anders Norudde (Hedningarna), Olov Johansson (Väsen), Hasse Gille, Ditte Andersson, Magnus Holmström, das Folk-Duo Dråm oder die Folk-Rocker von Nordman haben die Nyckelharpa inner- und außerhalb von Skandinavien populär gemacht. Man schätzt, dass 10.000 bis 20.000 Schweden heute das Instrument spielen.

Dabei ist die Nyckelharpa schon lange keine rein schwedische Angelegenheit mehr. Vor allem der Ort Forlimpopoli in Norditalien und die Burg Fürsteneck an der hessisch-thüringischen Grenze haben sich zu wahren Kraftzentren der internationalen Nyckelharpa-Bewegung entwickelt. Längst hört man das Instrument auch in keltischen und spanischen Folk-Ensembles, in verschiedenen Ausprägungen der Mittelalter-Szene, in Alter und Neuer Musik und im Jazz. Zu den renommiertesten Neuerern auf der Nyckelharpa-Szene gehören Marco Ambrosini und Didier François. Holger Funke von der Folkrock-Band Poeta Magica hat sogar eine elektrische Midi-Harpa entwickelt. Auch bei anderen Rock- und Folkbands der deutschen Mittelalterszene – Cultus Ferox, In Extremo, Die Irrlichter, Duivelspack, Faun, Inspeculum, Triskilian, Versengold u.a. – erfreut sich die Nyckelharpa größter Beliebtheit.

© 2013, 2023 Hans-Jürgen Schaal


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