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Jim Beard gilt vielen als Synthesizer-Spezialist. Doch auf seinem neuen Album mit dem Gitarristen Jon Herington frönt er seiner eigentlichen Liebe, dem akustischen Piano.

Jim Beard & Jon Herington
Mal schnell etwas anderes
(2020)

Von Hans-Jürgen Schaal

Er hatte immer gut zu tun. Gleich nach seinem Umzug nach New York mit kaum 25 Jahren wurden die Fusion-Cracks auf Jim Beard aufmerksam. Er spielte die Keyboards bei Victor Bailey, Bob Berg, den Brecker-Brüdern, Dennis Chambers, Bill Evans, Chuck Loeb, John McLaughlin, Pat Metheny, Mike Stern und vielen anderen. Schon als Teenager hatte er sich mit elektrischen Keyboards angefreundet. Mit 16 Jahren hatte er sich ein Fender Rhodes zugelegt, kurze Zeit später ein Clavinet, eine Yamaha DX7 und einen Strings-Synthesizer. „Ich habe damals viel Zeit damit verbracht, auf Synthesizern Songdemos anzufertigen und komplett klingende Arrangements zu machen“, erzählt der 59-Jährige. „Viele Leute hörten diese Demos und wollten, dass ich mit ihnen arbeite. Bevor ich es recht bemerkte, spielte ich auf deren Gigs und Platten überall Synthesizer. Das ist nichts, was ich aktiv verfolgt habe, es fiel mir eher in den Schoß. Wenn du in New York bist und jung und hungrig, dann nimmst du einfach, was du kriegen kannst."

Im Grunde aber, sagt Jim Beard, sei er immer ein Klavierspieler gewesen. Mit sechs Jahren bekam er seine ersten Klavierstunden, später vermittelte ihn seine langjährige Klavierlehrerin an George Shearing, die Cool-Jazz-Legende. Beard besuchte bei ihm eine Meisterklasse und einen Sommer-Workshop und erhielt dann vier Jahre lang Privatstunden von Shearing. „Und ich habe nie aufgehört, das akustische Piano zu lieben“, sagt Beard. „Wenn ich freie Zeit habe, spiele ich sogar Bach, Chopin oder Ravel. Ich war immer ein Pianist und in meiner Collegezeit sogar ein richtiger Jazzpiano-Snob. Tatsächlich habe ich auch auf Platten mindestens so viel akustisches Klavier gespielt wie Synthesizer. Auf den meisten Tourneen, die ich gemacht habe, gehörte ein Flügel mit dazu.“ 2014 erschien Jim Beards Klaviersolo-Album „Show Of Hands“.

Und nun also ein Duo-Album, auf dem der Synthesizer-Spezialist Beard wiederum nur am akustischen Klavier zu hören ist. Entstanden ist dieses Projekt, weil sich 2017 eine seltene Gelegenheit bot, mal schnell etwas anderes zu machen als das Übliche. Das Übliche – das ist seit einiger Zeit vor allem die Band Steely Dan, zu deren Tourbesetzung Beard seit zehn Jahren gehört, der Gitarrist Jon Herington sogar seit fast 20 Jahren. „Es gab ein paar Löcher im Kalender“, erklärt Herington die Situation von 2017. „Steely Dan hatte nicht ganz so viel gearbeitet wie die Jahre zuvor, und wir hatten im Juni etwas freie Zeit. Mein Trio, die Jon Herington Band, hatte sich gerade irgendwie erschöpft, und ich brauchte eine Abwechslung.“ Also haben Beard und Herington einfach ein paar Ideen im Duo ausprobiert. Seit mehr als 40 Jahren sind die beiden eng befreundet – sie haben auf vielen Alben zusammen gespielt und betreiben sogar ein gemeinsames Studio in New York. „Wir lieben und respektieren dieselben Dinge“, sagt Beard. „Ich vertraue Jon persönlich und musikalisch vollkommen. Er ist ein selbstloser Jünger guter Musik.“

Nach einer kleinen Test-Tournee im Duo ging es im Januar 2019 ins Studio. Acht Stücke haben am Ende aufs Album gefunden – vier Standards und je zwei eigene Titel von Beard und Herington. Die eigenen Stücke wurden allerdings nicht neu komponiert, sondern sind Highlights aus früheren Alben, die im Duo nun freilich ganz anders klingen. Die Titelnummer „Chunks And Chairknobs“ zum Beispiel konnte man 1997 bereits auf Beards Album „Lost At The Carnival“ hören – damals natürlich in größerer Besetzung. Das übermütige Stück erinnert gleichermaßen an Ragtime, Oldtime-Blues und Thelonious Monk. „Da gibt es sicherlich Anklänge ans frühe New Orleans“, sagt Gitarrist Herington, „aber es ist auch Jims Version von Exzentrik. Er sagte: Es muss lustiger werden! Verrückter und wilder! Also habe ich meine Saiten ein bisschen strapaziert und mehr Blues- und Rock-Ausdruck hineingelegt.“ Diese neue Duo-Version lohnt allein schon den Kauf des Albums.

Duo-Aufnahmen mit akustischem Piano und elektrischer Gitarre sind nicht gerade alltäglich. „Unsere Instrumente bilden nicht die einfachste Kombination für ein Duo“, sagt Beard. „Es hat eine Weile gedauert herauszufinden, wie wir unser Zusammenspiel am besten organisieren.“ Ein berühmter Vorläufer sind die Duette von Bill Evans (dem Pianisten) und Jim Hall von 1962 („Undercurrent“) und 1966 („Intermodulation“). Mit Evans’ wunderbarem „Loose Blues“ verbeugen sich Beard und Herington vor diesen beiden Jazzgrößen. „Das Stück hat dieses Kammerjazz-Feeling der frühen Sechziger“, sagt Herington. „Aber wir sind natürlich eine andere Art von Musikern. Unsere eigenen Stücke sind keine Jazzstücke in dem Sinn von Evans und Hall.“ Passenderweise beschließen Beard und Herington ihr Albumprogramm daher auch mit einer berühmten Steely-Dan-Nummer, dem Titelstück des Albums „Gaucho“ von 1980. Dieses Stück hat allerdings seine eigene Jazzgeschichte, ist es doch unüberhörbar von Keith Jarretts „Long As You Know You’re Living Yours“ von 1974 inspiriert. Nach einem Gerichtsurteil muss Jarrett als Mitkomponist genannt werden.

© 2020, 2024 Hans-Jürgen Schaal


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