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Die zwanzigste Hörhilfe 2.9.07

Joe Henderson

Inner Urge
Joe Henderson, McCoy Tyner, Bob Cranshaw, Elvin Jones

Das war Joe Hendersons Improvisations-Stil: sachlich und entwickelnd, eine konzentrierte Klangübung, die ständig mit immer mehr Elementen jongliert – Farbe, Rhythmus, Expressivität, Harmonik, Timing. Im Improvisieren lag für ihn das Eigentliche, ein „heiliges Terrain“. Der schlanke, kleine Mann aus Ohio konnte in wenige Takte ganze Wunderwerke dynamischer Verdichtung packen, musikalische Prismen von höchstem Anspruch und Risiko. 1963 war dies eine unerhört neue Solo-Strategie; der Trompeter Lee Morgan sprach von einer „ganz anderen Herangehensweise“.

Fünf Alben machte Henderson für Blue Note damals, der Jazzkenner kann die Titel herunterbeten wie ein Credo: Page One. Our Thing. In ’n Out. Inner Urge. Mode For Joe. Am „pursten“ hört man den Tenoristen auf „Inner Urge“, wo er der einzige Bläser ist. Das 24-taktige Thema des Titelstücks könnte fast die gefrorene Essenz seiner Solo-Strategie sein: Ein kleines dramatisches Ausgangs-Motiv wird mehrfach variiert und steigert sich zu rasanten Sechzehntel-Quintolenläufen. Zorn und Frustration habe er darin verarbeitet, meinte Henderson. Auch die folgenden Stücke sind Henderson pur: „Isotope“, sein bekanntester Blues, eine eckig-verwinkelte Hommage an Thelonious Monk mit dem verblüffenden Ab7-Akkord im 9. Takt; das experimentelle „El Barrio“ mit wilden Mehr- und Spaltklängen auf dem Saxophon, spanischem und griechischem Einschlag und improvisierter Melodie; und „You Know I Care“, ein langsames Stück von Duke Pearson, in dem Henderson den sandweichen Stan-Getz-Sound kultiviert, den er in Balladen bevorzugte. Etwas von Getz’ Seidenton, von Rollins’ Sonorität, von Coltranes „Urge“ und „Cry“, dazu eine völlig eigene Sachlichkeit und Rhythmusauffassung und Improvisations-Strategie: Das war Joe Henderson. Die Kollegen nannten ihn den „Inbegriff des Jazz-Tenors“, die „Essenz des Jazz“.

Veröffentlicht in Image Hifi 4/2005

© 2007 Hans-Jürgen Schaal


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