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Die fünfundzwanzigste Hörhilfe 22.11.07
2001 - Odyssey in Space
Original Soundtrack (1968)
Zukunftsmusik
Damals muss ich etwa 12 gewesen sein und eine Koryphäe für amerikanische Raumfahrt, kritische Science Fiction, Erich von Däniken und Grundfragen der Metaphysik. Ich sah Kubricks "2001 - Odyssee im Weltraum" natürlich nicht nur einmal, sondern schleppte nach und nach alle mit ins Kino: Geschwister, Freunde, die Eltern, später sogar eine Mädchen-Bekanntschaft. Und ich las natürlich die Erzählung, die dem Film zugrundelag, den Roman, der dem Film folgte, und kaufte den Soundtrack als Platte. Viel Verständnis erntete meine Marotte nicht.
"2001", das sind für mich nicht nur visionäre Bilder, sondern auch Klang-Visionen. Ursprünglich sollte der Hollywood-Komponist Alex North die Musik für den Film liefern. Doch bei einem ersten Probelauf der geschnittenen Szenen unterlegte ein Mitarbeiter Kubricks die langen dialogfreien Passagen mit klassischer Musik seiner Wahl, und sein origineller Geschmack überzeugte den Regisseur auf der Stelle: Alex North blieb auf seinem Werk sitzen. Stattdessen bot der Film als pseudo-religiöses Leitmotiv Richard Strauss' Einleitung zu "Also sprach Zarathustra", nur eineinhalb Minuten lang, und bald danach geisterte das Stück unter dem Titel "2001" durch Pop und Jazz. Dann gab es den vermeintlich längst kaputtgespielten Strauß-Walzer "An der schönen blauen Donau", der plötzlich völlig neu gehört werden konnte: als Klang gewordene Schwerelosigkeit im Orbit. Oder Khatchaturians Adagio aus der Gayaneh-Suite: die scheintote Welt eines interplanetaren Flugs mit tiefgekühlter Besatzung, künstlicher Schwerkraft, neurotischem Bordcomputer.
Und vor allem war da natürlich Ligeti. Drei Hauptwerke des Exil-Ungarn, die er erst ein paar Jahre zuvor (1961-1966) komponiert hatte, erklingen an zentralen Stellen des Films und geben ihm seine besondere emotionale Schwingung. Das Kyrie aus dem "Requiem" für zwei Solostimmen, Chöre und Orchester begleitet jedesmal das Auftauchen des großen, schwarzen Monolithen, des Sinnbilds einer außerirdischen Macht: eine furchtbare, anwachsende Irritation in hellen Vokaltönen. Wenn die Mondfähre von der Kolonie Clavius zur geheimen Ausgrabungsstelle schwebt, erklingt ein Ausschnitt aus "Lux aeterna": mysteriöse, unirdische Stimmen, die aus dem leeren Raum zu kommen scheinen. Und am psychedelischen, dramatischen Höhepunkt des Films, wenn der Weltraum metaphysischen Dimensionen weicht, bricht das Orchesterstück "Atmospheres" über dich herein: laut, gewalttätig und fremd.
Neueste Menschenmusik als Sinnbild außerirdischer Ewigkeit: Solche Klänge überstiegen das Verständnis Hollywoods wie auch des 12-jährigen Science-Fiction-Fans. Vollkommen fasziniert lauschte er den irisierenden Reibungen, den schrillen Interferenzen, die gleichzeitig streng und emotionslos wirkten. Sie hatten etwas Elektronisches an sich, tatsächlich etwas Unmenschliches. Es wunderte mich nicht, als ich später erfuhr, dass diese Musik aus Ligetis Arbeit im Studio für elektronische Musik beim WDR hervorgegangen war.
Veröffentlicht in IN München, Woche 4/5, 1997
© 1997, 2007 Hans-Jürgen Schaal
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