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Die sechste Hörhilfe 12.2.07
The Crimson Jazz Trio
King Crimson Songbook, Volume One (Voiceprint) Jody Nardone, Tim Landers, Ian Wallace
Was hat die 1969 gegründete britische Kult-Rockband King Crimson eigentlich mit Jazz zu tun? Ehrlich gesagt: eine ganze Menge. Schon auf den ersten Platten von Robert Fripps Formation tummelte sich einst eine ganze Schar von Jazzmusikern und improvisierte rockfremde Töne im Hintergrund. Ian McDonald bzw. Mel Collins, zwei bodenständige Saxofonisten, gehörten anfangs sogar zum Kern der Band. Beim Fernsehauftritt „Top of the Pops“ im März 1970, als die neue Single „Cat Food“ vorgestellt wurde, sorgte Freejazz-Pianist Keith Tippett für ausgesprochen freche Kakophonien. Weitere Gastmusiker aus der britischen Jazzszene waren in den ersten Jahren Mark Charig (Trompete), Harry Miller (Kontrabass) oder Nick Evans (Posaune). Auch das Spiel des Bandleaders Fripp verrät immer wieder den Einfluss älterer und jüngerer Jazzgitarristen. Und wann immer sich King Crimson der kollektiven Improvisation hingaben, entstanden wundersame Klanggebilde, deren interaktive Verzahnung nur mit Jazz zu vergleichen ist.
Das Trio aus Kalifornien übersetzt King Crimson nun vollends in Jazz: in bodenständige, gefühlsechte, swingende Klaviertrio-Musik. Das Bindeglied heißt Ian Wallace: Der jazzige Drummer auf den King-Crimson-Alben „Earthbound“ und „Islands“ ist der Initiator und Schlagzeuger des Crimson Jazz Trios. Die neueren, stilistisch offenen Entwicklungen im Trio-Genre (siehe e.s.t., Bad Plus, etc.) mögen zuweilen Pate stehen, doch zumeist ist Wallaces Kollege Jody Nardone ein überraschend harmonisch und üppig schweifender Pianist, der ganz anachronistisch an die Eleganz eines Red Garland erinnert. Und gerade diese Umsetzung der harschen, insistierenden Crimso-Motive in akkordverliebte, verspielt ästhetische Klavierklänge besitzt eine verblüffende Autorität. Und wenn die drei improvisierend loslegen, dann geht die Swing-Post ab. Das Crimson Jazz Trio ist eine echte Jazzband – aber zugleich ein Meistertrio der Verwandlung.
Man kann diese CD genießen, ohne King Crimson zu kennen. Aber wer mit den Originalen vertraut ist, kommt aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Nie hätte ich geglaubt, dass man Strophe und Riff des „21st Century Schizoid Man“ zu so viel swingender Sanftheit verfremden könnte. Und der instrumentale Mittelteil dieser Nummer (der einmal „Mirrors“ hieß) gibt beim Crimson Jazz Trio eine wunderbare Coda ab. „Cat Food“ wiederum kommt mit einem tranceartigen Vamp daher, der an Coltranes „Equinox“ erinnert, und springt in der Bridge ins doppelte Tempo. Der Schmachtfetzen „Starless“ wird zur vollgültigen Jazzballade, wobei Gesangs- und Instrumentalmelodie im Klavier zu etwas ganz Neuem verschmelzen. Die „Ladies Of The Road“ dagegen geben sich frech nostalgisch mit relaxt swingenden Blockakkorden.
Meine Liste der kleinen Überraschungen und Wunder ist noch lang. Ich beschränke mich daher auf zwei Hinweise. Hört euch die rhapsodischen Piano-Intros an: Es sind zum Teil ganz raffinierte, immer aber geschmackvolle Paraphrasen der kommenden Skalen und Melodien. Und achtet darauf, was mit den oft ungeraden Metren der Originale passiert: Sie sind häufig gerade gebügelt, damit sie swingen, aber Gegenakzente sorgen dafür, dass man die einstige Widerspenstigkeit nicht vergisst. Eine große, weil eigenständige Hommage.
Geschrieben für Schaal’s Site
© 2007 Hans-Jürgen Schaal
Nachtrag 22.2.2007: Ian Wallace ist heute im Alter von 60 Jahren seiner Krebserkrankung erlegen.
Nachtrag 3.1.2008: Nach Auskunft von Ian Wallaces Witwe Marjorie wird "Vol. 2" im Frühjahr 2008 erscheinen. |
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