Rockidelity
Steven Wilson: 4½ (2016)
Von Adrian Teufelhart
Die Musiker der US-Band Dream Theater, vielfach gefeiert als die Könige des neueren Progrock, kündigten kürzlich ein Großwerk an, eine Art Fantasy-Oper – und das Ergebnis war ein ausladendes Sammelsurium banaler Liedchen. Der britische Allrounder Steven Wilson dagegen will nur ein Intermezzo liefern, eine kleine Musikreste-Sammlung in LP-Länge – und heraus kommt das schönste Prog-Album des Jahres 2016. Vier der sechs Stücke auf „4½“ entstanden im Zusammenhang mit Wilsons letztem „vollgültigen“ Album „Hand. Cannot. Erase.“, aber schafften es nicht in die endgültige Stückauswahl oder wurden dafür zu spät fertig – sie wären jedenfalls auf dem Album von 2015 keine Fremdkörper gewesen. Die umfangreichsten Stücke auf „4½“ – mit jeweils über 9 Minuten – sind „My Book Of Regrets“, ein melodischer Song mit einem schnelleren Mittelteil inklusive Minimoog- und Gitarrensolo, und „Don’t Hate Me“, eine wechselvolle alte Porcupine-Tree-Nummer, hier als Songduett mit längeren Einlagen vom Fender Rhodes und Saxofon. Sehr gelungen ist auch das Instrumentalstück „Vermillioncore“ mit treibendem Beat und heftigem Riff. Die übrigen Titel – zwei Instrumentals, ein Song – bieten ebenfalls schöne Soundwechsel und Soloeinlagen sowie jede Menge Atmosphäre. Natürlich macht Steven Wilson wieder vieles im Alleingang: Er komponiert, textet, singt, spielt mehrere Gitarren, etliche Keyboards (Mellotron!) und Percussion. Unter seinen hilfreichen Geistern fallen solistisch auf: Adam Holzman (Keyboards), Dave Kilminster (Gitarre), Theo Travis (Saxofon).
Erschienen in: Fidelity 25 (2016)
© 2016, 2019 Hans-Jürgen Schaal
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