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Songsmiths .12

Johnny Mercer
1000 Lyrics, 100 Hits
(2006)

Von Hans-Jürgen Schaal

Paul Whiteman sucht den Superstar – oder so ähnlich. Den Publicity-trächtigen Gesangswettbewerb von 1932 gewann ein 22-Jähriger aus Savannah (Georgia) namens John Mercer. Sein gemütlicher, selbstironischer Südstaaten-Akzent machte ihn schnell zu einem beliebten „Rhythm Singer“: Er gab fröhliche Duette mit Jack Teagarden und Bing Crosby, blödelte Swing und parodierte Country, sang und moderierte in Benny Goodmans Camel-Radioshow und bekam eine eigene Sendung. 1942 war er zudem einer der drei Gründer von Capitol Records, wurde der erste Präsident der Firma und eine Zeit lang ihr erfolgreichster Künstler. Allein 1945/46 hatte der Sänger Johnny Mercer drei Nummer-eins-Hits. Als Plattenboss verpflichtete er Peggy Lee, Nat King Cole, Stan Kenton, Tommy Dorsey und andere. Das Label machte so viel Umsatz – 1946 ein Sechstel des US-Plattenmarkts –, dass es dem Sänger irgendwann zu stressig wurde und er seine Anteile verkaufte. Das hat ihm Capitol übel genommen.

Eigentlich wollte er Schauspieler werden. Bei der Broadway-Revue „Garrick Gaieties of 1930“ blitzte er zwar ab, brachte aber einen eigenen Song unter – ein Anfang. Über Whiteman lernte er dann Hoagy Carmichael kennen, schrieb die Lyrics zu dessen „Lazybones“ und hatte plötzlich einen Hit als Songtexter – den ersten von mehr als 100. Bald ging Mercer nach Hollywood und begann Songs für Fred Astaire zu schreiben. Anders als am Broadway lachte Mercer in „screwy bally hooey Hollywood“ das Glück. „Blues In The Night“ von 1941 wirkte als Song so stark, dass der Film danach benannt wurde. Das betextete „Laura“ von 1945 überzeugte dieselben Musikverleger, die den Instrumental als zu kompliziert abgelehnt hatten. Von 1946 bis 1962 kassierte Mercer nicht weniger als vier Oscars für seine Filmsong-Lyrics.

Seinen idealen Partner fand Mercer 1941 in Harold Arlen, dem jazzigsten der American-Songbook-Komponisten, der gerne diese langen, bluesig zu ziehenden Töne setzte. Ihre gemeinsame Liebe zu den schwarzen Wurzeln des Jazz spürt man in „That Old Black Magic“, „Come Rain Or Come Shine“ oder der Gospel-Parodie „Ac-Cent-Tchu-Ate The Positive“. Den erdigen Slang des Südens verband keiner so natürlich wie Mercer mit urbanem Wortwitz: Viele seiner Formulierungen überstrahlen die Musik und fanden Eingang in die amerikanische Umgangssprache. Als der Markt für anspruchsvolle Songs einbrach und Mercers Jahrhunderttalent brach lag, begann er sogar angejahrte Jazz-Tunes zu betexten. Dem verdankt das Jazz-Songbook Juwelen wie „Midnight Sun“, „Satin Doll“ oder „Autumn Leaves“. In insgesamt über 1.100 Songs hat sich Mercers außergewöhnliche Sprachkunst verewigt. Dear Mister Mercer, you were much too much and just too very very!

© 2006, 2010 Hans-Jürgen Schaal


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