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Die fünfte Hörhilfe 2.2.07

Frank Zappa

Strictly Genteel. A "Classical" Introduction to Frank Zappa
(Ryko RCD 10578)

Zum Glück kein Klassiker
Oder: Gibt es den seriösen Frank Zappa?

Man hat Frank Zappa nicht vergessen, den unappetitlichen Bürgerschreck, den Satiriker des American Way of Life, den Bühnen-Pornographen, Anti-Star, Video-Pionier, Musik-Visionär. Zappa war großartig an der Rock- und Jazz-Gitarre, als Provokateur, Ironiker und Texter. In allem, was er tat, war er Kultur-Avantgardist, aber daß er auch musikalisch in der Avantgarde zu Hause war, hören wenige.

Zappa verehrte Varese, seitdem er 13 war, studierte Strawinsky und Cage, experimentierte mit Tonbandcollagen und elektronischen Klangerzeugern. Er arbeitete mit Sinfonie-Orchestern unter Pierre Boulez und Zubin Mehta, schrieb Auftragswerke für das Aspen-Bläserquintett und das Kronos-Streichquartett und komponierte (weil seine Musik - auch die sogenannte populäre - zunehmend unspielbar wurde) etwa 500 Werke für Synclavier. 1992, schon von tödlicher Krankheit gezeichnet, präsentierte er mit dem Ensemble Modern "The Yellow Shark" - eine Suite von 19 Kompositionen aus 40 Jahren.

Zappa war zu sehr Eklektizist und Collagist, um sich zum "Klassiker" zu eignen. Das Banale und Triviale schien dem Sardoniker ein ebenso wertvolles Material wie die fortgeschrittensten Konzepte des Komponierens. Komplex bis zur Ununterscheidbarkeit verwob er Hohes und Niederes. Genau darauf macht der von Ironie triefende Titel "Strictly Genteel" aufmerksam, der uns eine Einführung in die Welt des "klassischen" Zappa verspricht. 18 Hörproben aus 12 Zappa-Produktionen - von "Uncle Meat" (1968) bis "The Lost Episodes" (postum 1996) - geben ein Bild, das disparater kaum sein könnte: verzinkte Miniaturen neben parodiertem Pathos, Orchesterwerke neben Elektronischem, Kakophones neben Barockhaftem. Und natürlich ließen sich Rock-Schlagzeug und Jazz-Bläser nicht völlig ausfiltern.

Quod erat demonstrandum. Der salonfähige Zappa läßt sich vom Schmuddel-Zappa nicht trennen. Gelungen ist das CD-Projekt dennoch - gerade weil sein Anspruch scheitert und Ironie bleibt. Weil es vorgibt, einen Aspekt zu isolieren, und dann doch den kompletten Zappa erkennbar macht - zwar nicht den Sänger und Gitarristen, aber sonst alle Galaxien seines Kosmos. Im Ernst: Wir begegnen hier dem Vater von Punk und Postmoderne in Personalunion. Also doch ein Klassiker? Zum Glück nicht, aber vielleicht etwas mehr als das.

Publiziert in der Süddeutschen Zeitung am 28.10.1998 unter dem Titel "Der gelbe Hai"

© 1998, 2007 Hans-Jürgen Schaal


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